„The Veil“ mit Elisabeth Moss: Thriller-Serie hat Potenzial … aber schwächelt – Review (2024)

Starke Prämisse, schwache Umsetzung

Rezension von R.L. Bonin – 05.05.2024, 11:03Uhr

„The Veil“ mit Elisabeth Moss: Thriller-Serie hat Potenzial… aber schwächelt – Review (1)

Frauen werden häufig unterschätzt, besonders dann, wenn sie sich in männlich dominierten Kreisen bewegen. Diese Annahme wird auch in der neuen Thriller-Serie „The Veil“ aufgegriffen, die am 30. April auf Hulu gestartet ist. Im Mittelpunkt steht das Spiel um Wahrheit und Lüge zwischen Imogen (Elisabeth Moss), einer MI6-Agentin, und Adilah (Yumna Marwan), einer potenziell hochrangigen ISIS-Befehlshaberin. Gerade die Rolle der Frauen innerhalb der terroristischen Organisation ist ein komplexes Thema, das in der Öffentlichkeit bislang kaum Raum findet – und daher der Serie von Grund auf eine Relevanz verleiht. Doch wird dieses große Potenzial auch ausgeschöpft?

Wer aufgrund der Synopsis glaubt, es gehe nur um die beiden Frauen, irrt sich. Denn neben den weiblichen Hauptfiguren spielen Josh Charles („Good Wife“) als CIA-Agent Max Peterson und Malik Amar (Dali Benssalah, „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“) als Beamter des französischen Geheimdiestes DGSE keine unwesentlichen Rollen. So entsteht ein starker Kontrast zwischen den verschiedenen Dynamiken. Nichtsdestotrotz muss am Ende die Umsetzung überzeugen.

„The Veil“ erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die sich gegenseitig demaskieren wollen. Auf der einen Seite steht die undurchschaubare Imogen Salter, eine MI6-Agentin, die Adilah El Idrissi in einem Flüchtlingslager an der syrisch-türkischen Grenze aus einer prekären Situation verhilft. Denn diese wurde als eine hochrangige ISIS-Kommandeurin identifiziert und ist somit die meistgesuchte Frau der Welt, bekannt unter dem Spitznamen „Dschinn Al Raqqa“.

Parallel spielt sich auf internationaler Ebene ein Machtspiel zwischen den USA und Frankreich ab, personifiziert durch die Figuren Max und Malik. Die Notwendigkeit, Adilah schnellstmöglich zu stellen, entsteht durch die drohende Gefahr eines bevorstehenden Anschlags. Dieser soll in sieben bis zehn Tagen irgendwo in der westlichen Welt stattfinden – und Adilah wird als Kopf der Operation vermutet. Demnach verhilft Imogen der Verdächtigen zwar zur Flucht aus dem Flüchtlingslager, versucht aber auf der Reise von Istanbul über Paris bis nach London herauszufinden, ob Adilah wirklich diejenige ist, für die sie gehalten wird…

Meistens ist es die Pilotfolge, die sich als Staffelauftakt deutlich von den restlichen Episoden abhebt. Kein Wunder, denn die erste Folge muss direkt überzeugen, damit Zuschauende dranbleiben. Bei „The Veil“ wurde offenbar eine andere Taktik gewählt: Die Geschichte soll sich wie ein Crescendo aufbauen. Gerade auf Basis des actionreichen Trailers sollte man daher die Erwartungen gegenüber Episode eins („The Camp“) herunterschrauben.

In der Dreiviertelstunde werden vorrangig die Figuren eingeführt und ihre Beziehungen zueinander etabliert. So stellt sich Moss’ Figur in der ersten Szene erstmal als „Portia“ vor – nur um den Namen keine halbe Minute später für ihren nächsten Auftrag in „Imogen“ zu verwandeln. Allein dieser Einstieg lässt ahnen, dass ihr Charakter schwer zu greifen sein wird.

Das bekommen allerdings auch die anderen Figuren mit, woraufhin allein im Piloten etliche Male in verschiedensten Variationen die Frage fällt: „Wer bist du/​Sie?“ Zum einen entsteht dadurch der negative Eindruck, dass Imogen ihrem Job doch nicht gewachsen ist; zum anderen führt das den Zusehenden nur das Offensichtliche vor Augen und wirkt dadurch redundant, nämlich: Dass Imogen genau wie Adilah eine Gestaltenwandlerin ist.

Shapeshifter“, „Djinn“, „Devil – das sind Begriffe, die im Zusammenhang mit Adilahs Figur häufig fallen. Dabei spielt Marwan die zweite weibliche Hauptrolle eher zurückhaltend, was es mindestens genauso schwer macht, auch hinter dem Schleier ihrer Figur zu blicken. Spätestens an diesem Punkt sollte klar sein: Das Spiel zwischen Wahrheit und Lüge erfolgt sowohl zwischen den Charakteren als auch mit den Zuschauenden. So werden Letztere durch das permanente „Miträtseln“ in die Handlung eingesogen – was die Serie auch gut gebrauchen kann.

Denn trotz dieser Spannungen, die sich durch die komplexe Beziehung der beiden Frauen ergeben, bleibt „The Veil“ nach zwei Folgen tendenziell langatmig. Häufige Landschaftsaufnahmen an falschen Zeitpunkten sorgen für Längen. Die Dialoge wechseln sich zwischen chaotisch-klischeehaft und fesselnd-brillant ab – zwei Extreme, die auf Dauer ernüchternd wirken. Wertvolle Zeit wird zum Teil auf die unnötige Wiederholung von bereits gehörten Informationen sowie die irrelevante Darstellung von besprochenen Handlungen verwertet.

Wie anfangs erwähnt, stehen die Ermittelnden eigentlich unter Zeitdruck, da die Gefahr eines Anschlags droht. Allerdings wird diese Information in den ersten zwei Folgen so beiläufig erwähnt und gar heruntergespielt, dass der Druck verfällt. Auch die vage Angabe von „sieben bis zehn Tagen“ trägt dazu bei, dass es (noch) keine Dringlichkeit gibt, Adilah zu stellen. Es mangelt an Drive und Tempo, was möglicherweise in späteren Folgen noch kommen mag, aber gerade zu Beginn eines Thrillers wünschenswert ist.

Wenn die Wahrheit verschleiert wird, ist die Gratwanderung zwischen zu vielen und zu wenigen Informationen keine einfache. Doch eine gewisse Einordnung in Bezug auf die Figuren, Orte und involvierten Organisationen kann nicht schaden. Zwar werden die Ortsangaben eingeblendet, allerdings beschränken sie sich auf das absolute Minimum. So wird die Abkürzung „DGSE“ nicht näher erläutert – wer also mit der Begrifflichkeit „Direction générale de la sécurité extérieure“ (aka französischer Geheimdienst) nicht vertraut ist, hat Pech gehabt.

Auch Imogen selbst soll zwar als Figur undurchschaubar sein, dennoch bilden die Fakten, dass sie britische MI6-Agentin ist und ein Verhältnis mit Malik hat(te) eine dünne Grundlage. Die Serie arbeitet mit Flashbacks, um (scheinbar) Einblicke in ihre wahre Identität zu gewähren, aber auch diese treten so puzzleartig und zusammenhanglos auf, dass sie – zumindest in den ersten Folgen – keinen wirklichen Mehrwert bieten und verzichtbar wirken.

Dafür ist der Kontrast zwischen den weiblichen und männlichen Figuren umso stärker: Während Imogen und Adilah bis auf einzelne Sequenzen ruhige, aber extrem manipulative Dialoge voller Subtext führen, treten die Männer direkt, offensiv und nahezu taktlos auf. Allein die Einführung von Josh Charles’ Figur Max zeigt dies sehr deutlich auf: Kaum haben sich Malik und er kennengelernt, geraten sie in eine kindische Rangelei.

Auffällig ist auch, wie klischeehaft die männlichen Figuren dargestellt werden und sich auch verhalten – während die Frauen subtil mit Klischees und Stereotypen umgehen. So präsentiert sich Imogen als quirlig und „verrückt“, nahezu naiv, um Adilahs Vertrauen zu gewinnen. Gleichzeitig wird Adilah als potenzielle „Dschinn“ mystifiziert, was übertrieben wirkt, aber ein Tabu-Thema auf den Tisch bringt: Wenn Frauen wesentliche Funktionen innerhalb der Terrororganisation innehaben, bleiben sie meist lange unter dem Radar. Das ist auch keine Fiktion: So wurde 2022 eine US-Amerikanerin verurteilt, die langjährig für den IS ein rein aus Frauen bestehendes Bataillon in Syrien aufgebaut haben soll.

Die Bewertung von „The Veil“ gestaltet sich daher schwierig. Die Thematik ist relevanter denn je und in den Medien absolut unterbeleuchtet. Die Charaktere treten vorerst gelungen auf, wenn auch die Dialoge nicht immer zufriedenstellend sind. Leider ist der Pilot im Vergleich zur zweiten Folge schwach und bietet erst ab der zweiten Hälfte genug Material, um dranzubleiben. Trotzdem bleibt „The Veil“ auch in Episode zwei noch langatmig und verschleiert durch den langsamen Handlungsaufbau das eigene Potenzial. Es bleibt abzuwarten, ob die restlichen vier Folgen an Tempo gewinnen. Doch was den Auftakt betrifft, unterschätzt die Serie (leider) sich selbst.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Folgen von „The Veil“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die Thriller-Serie „The Veil“ stammt aus der Feder von Steven Knight („Peaky Blinders – Gangs of Birmingham“, „Alles Licht, das wir nicht sehen“, „Spencer“), der neben Elisabeth Moss als Produzent fungiert. Regie führten Daina Reid („The Handmaid’s Tale“, „Run Rabbit Run“) und Damon Thomas („Killing Eve“, „Dracula“). Die Miniserie umfasst insgesamt sechs Folgen, die nach der Premiere am 30. April mit einer Doppelfolge im wöchentlichen Rhythmus auf der Streamingplattform Hulu erscheinen. Ein deutscher Ausstrahlungstermin ist bislang nicht bekannt.

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